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Reiseliteratur I

Beim Ausbau unserer Olga war klar, dass es ohne eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit für Bücher nicht gehen würde. Seit diesem Entschluss befindet sich links neben dem Fahrersitz ein rotes (wie sonst?!) Bücherregal. Darin ist Platz für etwas 25 Bücher.

 

Während wir noch zu Hause unsere sieben Sachen zusammenpackten, durfte sich jeder von uns eine handvoll Bücher aus dem heimischen Bücherregal aussuchen, die dann ins Olga-Bücherregal wanderten. Darunter Klassiker, die ich immer wieder lesen kann (Der Herr der Ringe) und neuere Schmöker.

 

Schon ziemlich bald war unser Vorrat jedoch aufgebraucht. Im Baltikum bereits hatten wir alle Bücher durch und lechzten nach Nachschub. Zum Glück erfand eines vergangenen Tages ein weiser Mensch die Möglichkeit, Päckchen postlagernd zu bestellen.

 

In Vilnius erreichte uns der erste Nachschubposten und in Rumänien mussten wir ein zweites Mal nachordern. Zu dem Zeitpunkt war das Bücherregal längst aus allen Nähten geplatzt und wir stopften bereits gelesene Literatur in alle noch so entfernten Ritzen und Ecken Olgas.

 

Die Idee, gelesene Bücher einfach auszusetzen, damit sich ein anderer daran erfreue, erschien uns zwar verlockend, doch welcher Litauer oder Rumäne würde sich an einem deutschsprachigen Büchlein erfreuen können?

 

In Rumänien trafen wir Heike, die auf dem Heimweg nach Deutschland war und schwatzten ihr einen Teil der Ware auf. Durchweg bester Lesestoff!

 

 

 

Doch warum überhaupt die Nase in ein Buch stecken, wenn vor dem Fenster die Sterne im Mittelmeer funkeln?

 

Ich habe schon sehr früh in meinem Leben erkannt, dass ich mich wahrlich fehlerhaft ausgestattet fühle, sollte ich einmal ohne den nötigen Lesestoff aus dem Haus gehen müssen. Selbst auf einer mehrtägigen Wandertour durch das nördlichste deutsche Mittelgebirge, wo einem jedes Gramm zu viel im Rucksack die Last noch deutlicher spüren lässt, hatte ich das kleine gelbe Reclam-Bändchen „Die Harzreise“ von Heinrich Heine bei mir.

 

Bücher gehören zu meinem Leben dazu, sind Kraftquelle, Entspannungsübung und Inspiration. Nach einem anstrengenden aber eindringlichen Tag in einer fremden Region, tut es gut, noch ein paar Seiten durchzublättern.

 

Und so gehören zu einer gut ausgestatteten Reisebibliothek die Bände für die Nervenerholung, die Bände für die Reiseplanung, sowie die Bände für die Weiterbildung und sicher noch einige mehr.

 

 

 

An dieser Stelle möchte ich beginnen, einige der Bücher aus unserer Lektüre genauer vorzustellen und anzupreisen. Beginnen wir mit einem, der das Zeug zum Klassiker hat. Sollte der Leser dieses Textes noch nie etwas von Roger Willemsen gelesen haben, dann bitte ich darum, dies schleunigst nachzuholen, bevor dieser wunderbare Wortkünstler in Vergessenheit gerät. Denn leider hat uns der Autor 2016 bereits verlassen.

 

Willemsen war Autor, Moderator, Redner, Interviewer und vor allem Reisender. Wie nur wenige beherrschte er die deutsche Sprache, seine Texte sind zugleich Kunstwerk und Kulturgut.

 

Willemsen war Schirmherr vom afghanischen Frauenverein, hat mehrere Male dieses Land besucht und noch öfter darüber geschrieben. Auch viele seine weiteren Reisen haben es in seine Werke geschafft. Vor allem der Band „Die Enden der Welt“ sticht hier hervor und ist überaus empfehlenswert.

 

Willemsen besticht durch haargenaue Beobachtung, humorvolle Anekdoten, anrührende Begegnungen und all dies in Sätze geformt, die dem Leser einiges zu bieten haben.

 

Der Autor ist ein Sammler von Momenten und hat diese Leidenschaft in seinem Buch „Momentum“ zur Perfektion getrieben. In diesem jagd er durch sein Leben und vermittelt es dem Lesenden allein durch die Niederschrift von Momentaufnahmen. Keine Vorgeschichten, keine Erklärungen, nur das pure Leben. Keine Textpassage ist in diesem Buch länger als eine Seite, dann springt Willemsen schon zum nächsten Moment seines Lebens. Komisch, traurig, mysteriös, unfassbar – in den meisten Leben bieten sich all diese Facetten, doch hat man den Moment meist bereits vergessen, kurz nach dem man begriffen hat, dass es einer war.

 

Und noch ein letztes Buch aus seinem Werk und unserem Bücherregal. In „An der Grenze“ versammelt Willemsen Interviews mit Persönlichkeiten, deren Leben grenzwertiges zu bieten hatten. So befragt er Bankräuber, RAF-Mitglieder, Kannibalen, Todeskandidaten und einige mehr. Dabei nie anklagend oder mit erhobenem Zeigefinger, sondern immer ganz neugierig, interessiert und begeistert.

 

Einen „sprühenden Enthusiasten“ nannte man ihn einst, denn seine Worte haben die Fähigkeit zu begeistern.

 

 

 

Lest!

 

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