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Werkstattwoche/GR

 

In meiner Kindheit lief noch eine Fernsehserie mit David Hasselhoff in der Hauptrolle und dem Titel „Knight Rider“. Es ging um ein sprechendes Multifunktionsauto und einen großen Typen mit Lockenfrisur, die zusammen auf Verbrecherjagd gingen. Typisch 80er, typisch amerikanisch. In der Titelsequenz hieß es „ein Mann und sein Auto“.

 

Ich habe mich jedoch nie zu einem Autoliebhaber entwickelt und habe die Fahrzeuge, mit denen ich unterwegs sein durfte immer lediglich anhand ihrer Nützlichkeit bewertet. Selbst zu unserem Vorgängermobil, Dimitri, hatte ich nie so eine innige Verbindung wie zu unserer Olga.

 

Es ist erstaunlich, was ich über mich lerne. Wenn Olga in der Werkstatt ist und nicht in unserem Garten steht, dann fehlt sie mir. Sie ist eben Fortbewegungsmittel, Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Unterschlupf, Schutzhülle, Hundehütte, ehemalige Feuerwehr, vieles mehr und nicht bloß ein Auto.

 

 

 

In der vorerst letzten Werkstatt lerne ich an mehreren Tagen den Chef Panos und seinen Mitarbeiter Iannis kennen, sowie die zwei weiteren Mechaniker Thomas und Nikos, die zwar nicht dort angestellt sind, aber dann doch an meinem Auto rumschrauben.

 

Panos ist klein, verströmt aber die Aura der Autorität. Wenn einer nicht weiter weiß, fragt er Panos. Wenn die anderen ihre Hände über ihren Köpfen zusammenschlagen, kriecht Panos nochmal unter das Auto. Wenn einer was will, dann hört Panos aufmerksam zu, dann zieht er die Schultern hoch und gibt Anweisungen. Am Ende ist es Panos, der entscheidet, was der ganze Aufwand jetzt kosten soll. Erstaunlich wenig übrigens.

 

Iannis, sein Mitarbeiter, ist der jüngste in der Runde, kann Englisch, ist mein Dolmetscher. Er arbeitet schnell, sauber und vermittelt einem am Ende wenig überzeugend aber mit viel guter Zusprache, dass jetzt alles wieder in Ordnung ist. Als ich die Olga in der Werkstatt stehen lassen muss, fährt er mich schnell zum Bus. Als ich beim nächsten Mal wieder mit der Olga vom Hof rolle, habe ich seine Karte bei mir. Ich soll ihn anrufen, wenn wieder ein Problem auftritt. Er kommt dann hin. Kein Problem!

 

Nachdem der Motor während der nächsten Fahrten wieder abstirbt, treffe ich in der Werkstatt Nikos. Er ist von den Männern extra für mich bestellt worden. Nikos ist groß, spricht mit tiefer Stimme perfektes Englisch und hat einen konkreten Plan. Er wird das Auto starten, wenn der Motor kalt ist, wird schauen, was passiert und das Problem dann lösen.

 

Jedes Mal hatten wir vereinbart, dass die Männer mich anrufen. Das also Iannis mich anruft, wenn es Neuigkeiten gibt und wir dann alles Weitere besprechen. Jedes Mal hatte ich von Neuem meine Telefonnummer auf einem zerknitterten, fleckigen Zettel notiert. Und jedes Mal war ich es dann, der bei den Männern anrief, um mich nach den neuesten Entwicklungen im Fall Olga zu erkundigen.

 

Meist stand ich sogar den lieben langen Vormittag daneben und beobachtete das Treiben vor, hinter und unter dem Wagen. Jedenfalls solange bis dann 13:30 mein Bus ging. Ich hätte natürlich auch noch bis zum Feierabend der Jungs gegen 17 Uhr neben ihnen warten können. Doch zwischen 13:30 und 19:00 fährt kein Bus zu unserem Haus.

 

Schließlich lernte ich Thomas kennen. Auch er begegnete mir als Mechaniker, was wohl an zwei Dingen lag. Erstens sah er so aus in seiner blauen Latzhose, mit den ölverschmierten Händen und den schwarzen Striemen im Gesicht vom Abwischen der Schweißperlen. Und zweitens werkelte er munter mit den anderen an den Autos herum. Man schickte ihn sogar mit mir auf eine Probefahrt, um Olgas Schwierigkeiten mal während der zügigen Fahrt zu beobachten.

 

Erst später, als wir schon eine Weile miteinander herumgerätselt hatten (Thomas sprach ebenso sehr gut Englisch), erzählte er mir von sich. Dass er bereits über 70 Jahre alt sei, dass er bereits in Pension sei, dass er eigentlich gar nicht mehr arbeitet und dass er wirklich nicht verstehen kann, warum mein Auto zwei Kraftstoffpumpen besitzt, wo doch eine reichen würde.

 

So hatten die Männer kurzerhand eine der Pumpen abgeklemmt und einen „Bypass“ gelegt, wie mir Thomas mit Hand auf der Brust als Hinweis auf seinen eigenen Bypass erklärte. Jetzt würde das Auto nur noch mit einer Pumpe fahren, was auch ganz ok wäre und vor allem eine kostengünstige Lösung.

 

Denn so sei das in Griechenland, meinte Thomas, hier würden die Mechaniker nicht nach dem Geld der Kunden gieren, sondern mit dem Herzen denken und arbeiten.

 

Was aber wäre, wenn die noch funktionstüchtige aber immerhin auch sehr alte zweite Pumpe ihren Geist aushauchen würde? so fragte ich. Und Thomas antwortete mit einem dahingerotzten Satz: „So, then you fucked up!“

Was wohl bedeuten sollte, dass ich dann erst richtig am Arsch wäre.

 

Überhaupt sei das in Griechenland schon immer so gewesen und nicht erst seit der ganzen Scheiße mit der Krise, meinte Thomas. Hier hätte man schon immer derartige Lösungen gefunden.

 

 

 

Gestern haben die Männer in der Werkstatt dann doch, auf mein Drängen hin, eine neue mechanische Kraftstoffpumpe installiert und seitdem läuft es mit der Olga vorerst wieder. Heute haben wir die erste Probefahrt hinter uns gebracht, waren mit den Hunden am Meer und ich war sogar eine kleine Runde schwimmen.

 

Die Sonne schien und das Wasser war erfrischend und belebend aber nicht zu kalt. Morgen laden wir dann ein paar notwendige Sachen ins Auto und wagen seit Langem mal wieder eine erste größere Ausfahrt an den größten natürlichen See Griechenlands.

 

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