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Trichonida See, Kato Vasiliki/GR

 

Da steht sie nun, die Olga. Standardmäßig bepackt mit den Klamotten für drei Tage, den Kameras, dem Solarmodul, ein paar Lebensmitteln, den Schlafsäcken, sowie den vier Hunden und uns.

 

Das Tor steht weit geöffnet, ein Ziel im Kopf und es ist still. Nur das leise Ticken der elektrischen Kraftstoffpumpe ist zu hören, nachdem ich den Zündschlüssel heruntergedrückt habe.

 

Anspannung liegt in der Luft. Die Aufregung steigt und mit ihr die Hoffnung, dass uns nun endlich mal wieder eine ungestörte, reibungslose und vor allem pannenfreie Fahrt bevorstehen würde. Im Hinterkopf noch die Erinnerung an die letzten Versuche, als uns bereits wenige Meter nach dem Start der Motor mehrere Male ausging.

 

Auch an diesem Tag bleibt nach dem Anlassen des Motors ein ungutes Gefühl zurück. Die Olga startet schlecht. Braucht Unterstützung. Dann jedoch läuft sie und läuft und läuft.

 

So gut, dass wir etwa 65 Kilometer später am Trichonida See ankommen.

 

Auf halber Strecke hatten wir in Nafpaktos noch einen Einkauf erledigt und auf der Post ein Paket Hundefutter abgeholt.

 

Nördlich von Nafpaktos, bei Agrinio liegt dann der größte See Griechenlands mit natürlichem Ursprung. Knappe 100 Quadratkilometer misst er und ist damit in etwa so groß wie die Müritz in der Mecklenburgischen Seenplatte oder der Chiemsee in Bayern.

 

 

 

Unser ursprünglicher Plan war es, an diesem See eine Stelle zu finden, an der wir übernachten können, die möglichst direkt am Wasser liegt und von der aus wir mit den Hunden am Ufer entlangspazieren können. Im Idealfall weit ab vom nächsten Dorf.

 

Eine solche Stelle finden wir nicht. Am südlichen Seeufer halten wir an einer kleinen Kapelle, wo wir von zwei Straßenhunden begrüßt werden und lassen unsere Hunde kurz laufen.

 

Da sich kein Platz findet, der uns an diesem Tag zusagt, entschließen wir uns kurzerhand bereits das für den kommenden Tag vorgesehene Ziel anzusteuern. Weitere 70 Kilometer durch Orangenplantagen erstreckt sich das Ionische Meer an der Westküste Griechenlands vor uns.

 

Hier gibt es mehrere kleine Buchten und eine davon hatten wir uns als Übernachtungsplatz herausgesucht. Dort angekommen blickten wir in die Augen einiger Bauarbeiter, die dort gerade aus Plastikrohren und Netzen riesige Fischzuchtanlagen zusammensetzten.

 

Eine kurze Recherche ergab, dass mittlerweile über 50 Prozent der verkauften Fische und Meeresfrüchte aus sogenannten Aquakulturen stammen. Tendenz steigend. Der Anteil an Wildfang geht immer mehr zurück, die Meere sind absolut „überfischt“ und es wachsen weniger Fische nach als gefangen werden.

 

Das Ganze nimmt spätestens dann abartige Züge an, wenn Fischsorten wie der Lachs, welche einst als seltene Delikatesse galten, zu Alltagsspeisen werden oder wenn ein Fisch den europäischen Markt erobert, der dennoch fast ausschließlich in Asien gezüchtet wird und dann tausende Kilometer transportiert werden muss, wie der Pangasius. Eine ökologische Katastrophe.

 

 

 

Aber zurück zu den schönen Dingen des Lebens. Wir kurven weiter an der Küste entlang, kommen immer weiter südwärts und finden kurz vor Einbruch der Dunkelheit und weitere 80 Kilometer später einen netten Platz bei dem kleinen Ort Agios Georgios.

 

Auf dem Weg dorthin durchfahren wir die „Heilige Stadt“ Mesolongi. Diese gilt den Griechen als Ort des Widerstandes und des Aufstandes gegen die Herrschaft der Osmanen. Seit 1937 darf sie sich deshalb heilig nennen, wie andere Städte sich Kurort oder Weltkurlturerbe nennen.

 

Über 200 Kilometer ist die Olga auf ihrer ersten größeren Tour nach den vielen Werkstattbesuchen ohne ungewollte Unterbrechung gefahren. Nun lassen wir die Hunde am Meer entlanglaufen, genießen den Blick auf die Wellen und schlafen erschöpft ein.

 

 

 

Der nächste Tag ist grau und wir umrunden lediglich einen kleinen Berg, der direkt bis ans Meer reicht, um auf dessen gegenüberliegender Seite eine noch viel schönere Stelle zu finden.

 

Von Kato Vasiliki führt eine kleine Straße bis kurz vor den steilen Berghang. Dort endet die Straße vor einer kleinen, halbrunden, uneinsehbaren Bucht. Bis auf einen weiteren Camper befindet sich hier keine Menschenseele. Die Hunde lassen wir frei laufen, knipsen einige Fotos und klettern über Felsbrocken in die Höhe. Von dort ergibt sich ein fantastischer Blick auf Patras, welches auf der anderen Meerseite auf der Halbinsel Peleponnes liegt. Um auf kürzestem Wege dorthin zu gelangen müssten wir über die Rio.Andirrio-Brücke fahren und wären sehr bald angekommen.

 

Im Jahre 2004 wurde diese Brücke eröffnet und galt lange als unmögliches Bauvorhaben, weil man meinte, in einem Erdbebengebiet (bis Stärke 7 auf der Richterskala) über eine Meerenge von 2,5 Kilometer und 65 Meter Tiefe keine Brücke ohne stabilen Boden bauen zu können.

 

Sie ist nun 2883 Meter lang und ihre beiden höchsten Stützpfeiler erheben sich 164 Meter über den Meeresspiegel. Nach dem Viadukt von Millau in Südfrankreich ist sie die zweitlängste Schrägseilbrücke der Welt.

 

Eine Überfahrt kostet für einen PKW oder ein Campingfahrzeug 13,30 Euro.

 

Nach einigen Fotoaufnahmen bei Nacht liegen wir bereits im Bett, als aus dem Wind, welcher schon den ganzen Tag wehte, ein kleiner Sturm wird. Einige Windböen bringen die Olga mächtig ins Schaukeln. An Schlaf ist bei dem Seegang und dem Lärm kaum zu denken.

 

Die Wellen schlagen ans Ufer und die Gischt spritzt meterhoch. Ein kurzer Rundgang ergibt, dass sich die anderen Campingfreunde bereits verkrümmelt haben. Bis kurz nach 23 Uhr halten wir noch aus und starten dann doch den Rückzug. Bis zu unserem kleinen Steinhaus sind es 50 Kilometer und halb eins liegen wir im Bett.

 

 

 

Am nächsten Tag fahre ich in den Nachbarort Glifada, wo es einen kleinen Supermarkt gibt, der täglich geöffnet hat und in dem man fast alles erhält, was das Herz und der Magen begehren.

 

Es bleibt nicht aus, dass ich vom Inhaber kurz auf die Olga angesprochen werde. Der Mann mittleren Alters spricht fließend Englisch und wir unterhalten uns kurz. Dann zeigt er mir den Weg zu der Stelle, wo das Wassertaxi aus Trizonia eintrifft.

 

Trizonia ist die einzige bewohnte Insel im Golf von Korinth, beherbergt 65 Einwohner und dort wohnt momentan Pieter aus den Niederlanden auf einem Segelboot. Das Boot gehört einen US-Amerikaner aus Alaska, der aber in Patras lebt und dort als Straßenkünstler tätig ist.

 

Pieter ist im Juli 2017 in Finnland gestartet und dann per pedes bis nach Griechenland unterwegs gewesen. Wir hatten uns im Bus kennengelernt und ihn zu uns eingeladen. Da das letzte Wassertaxi bereits 18 Uhr zurück zur Insel steuert, wird Pieter auch eine Nacht bei uns übernachten.

 

Wir sitzen an diesem Abend lange am Kamin und sprechen ausnahmsweise mal kaum über unsere Reiseerfahrungen, sondern stattdessen über Philosophie, Psychoanalyse und Kindheitserinnerungen.

 

In den nächsten Tagen wird Pieter mit der Fähre von Patras nach Venedig fahren, um von dort aus mit dem Zug und weiteren Fähren wieder bis Finnland zurückzureisen.

 

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