Ukraine, Odessa und Shabo

 

Sieben Wochen sind wir nun schon in der Ukraine. Damit hatten wir nicht gerechnet, als unsere Reise durch dieses spannende Land begann. Ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Russland sollte es werden. Doch genau das ist es, was diese Form des Unterwegsseins für uns so attraktiv macht. Das Unvorhergesehene, das Überraschende.

 

 

 

Überrascht hat uns auch Odessa. Bisher hatten uns die ukrainischen Großstädte mit ihrem Sowjetcharme wenig begeistern können. Allenfalls noch Lemberg mit seiner Mixtur architektonischer Epochen.

 

Wir wollten in der Millionenmetropole am Schwarzen Meer jedoch einen Buchladen aufsuchen und steuerten deshalb direkt hinein ins Gewimmel des Zentrums. An der monumentalen Verklärungskathedrale parkten wir die Olga im Schatten der hohen Bäume, die hier viele Straßenränder säumen. Wohlgemerkt ohne dafür eine Parkgebühr entrichten zu müssen. Wir erinnern uns an einen kostspieligen Parkplatz im Zentrum Rigas zurück. Dann flanierten wir etwas durch die stark belebten Häuserschluchten zu einem British Book Shop.

 

Schon bald fühlten wir uns beispielsweise an Rom oder Wien erinnert. Breite Fußwege, Freisitze vor kleinen Cafes und Restaurant, belebte und gepflegte Parkanlagen, herumstreunende Katzen, ein liebevoll dekoriertes Katzenhotel an einer Straßenecke und Menschen, die den Sommer, den Trubel und das Leben genießen.

 

Unsere Lektüre konnten wir im British Book Shop auffüllen. Den Bildband der Internetseite ukrainer.net gab es leider nicht. Den lassen wir uns nun als Paket an einen Postfiliale liefern. Diese Internetseite hat uns einiges über die Ukraine, ihre Bewohner und ihre Landschaften verraten. Es gibt auch einige empfehlenswerte Dokumentarfilme von den Machern der Seite auf Youtube kostenfrei anzuschauen.

 

Unser kleiner Abstecher zu einem der verschiedenen Häfen Odessas war kein Highlight, auch wenn wir dort mit einer Horde Straßenhunden ein kurzes Stelldichein hatten.

 

 

 

Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz hatte ich entdeckt, dass es nahe Satoka, südlich von Odessa im kleinen Örtchen Shabo ein großes Weingut gibt. Das Gelände beherbergt auch das „Shabo Wine Culture Center“. Und es werden Führungen angeboten, las ich auf deren Homepage.

 

Nun bin ich absolut kein Weintrinker aber Christin schon. Also überraschte ich sie und buchte uns eine Führung. Auf meine Anfrage per Mail, ob es diese auch in englischer oder deutscher Sprache gibt, bekam ich eine positive Antwort.

 

Man bot uns eine VIP-Führung für 2100 Griwna an, was etwa 33 Euro pro Person entspricht. Es empfing uns Sergej, der in Dresden studiert und auch mal drei Jahre in Leipzig gewohnt hat.

 

„Woher kommt ihr?“ war seine erste Frage.

 

„Aus der Nähe von Leipzig.“ Unsere Antwort, weil der Name unseres Dorfes im Harz wohl keinem Ukrainer was sagen würde.

 

„Ah, aus Leipzsch.“ Da fühlt man sich doch willkommen geheißen.

 

In den folgenden drei Stunden führte uns Sergej über zwei Produktionstätten der Firma, die im letzten Jahr 41 Millionen Flaschen Wein, Schaumwein und Weinbrände abgefüllt hat. Etwa 500 Menschen arbeiten für das Unternehmen Shabo. Ihre Erzeugnisse verkaufen sie an 20 Länder und natürlich im eigenen Land. Nur an Deutschland wieder einmal nicht, wie wir das schon von der Roshen-Schokolade kennen.

 

In einem Kleinbus werden wir, denn wir sind die einzigen Gäste der VIP-Tour, zur fünf Minuten entfernten Schaumweinproduktionsstätte kutschiert. In riesigen Edelstahltanks lagert hier das Produkt aus den Trauben, die in den angrenzenden Weinplantagen geerntet werden. Eines der modernsten, wenn nicht sogar das modernste Labor der gesamten Ukraine besitzen sie hier, um die Qualität ihrer Weine zu prüfen. Nebenbei kommen wir beide uns etwas underdressed vor für die spezielle VIP-Tour. Unser Guide läuft im weißen Hemd, weißen Sneakern und einer grauen Anzughose neben uns her. Inkusive Sonnenbrille. Wir dagegen in Sandalen mit staubigen Füßen und T-Shirt, wie immer.

 

Zurück am Hauptstandort zeigt uns Sergej die Weinpressen, die Gärtanks, die Eichenholzfässer, die Kupfertanks zur Brandweinherstellung und natürlich den Dionysos-Brunnen. Entworfen hat ihn ein schweizer Künstler, der sich hier mal richtig austoben durfte. Überhaupt gefällt es uns sehr, wie hier die Eigentümer aus der ehemaligen Sowjetkolchose einen florierenden Betrieb entwickelt haben und dabei auch die Kultur des Weinanbaus und des Weintrinkens mit modernen Kunst verbinden.

 

Sergej meint, die Ukrainer können nicht trinken. Sie können nur saufen. Dabei beweisen sie doch hier auch das Gegenteil. Vor dem Weinmuseum steht die europaweit einzige Skulptur für eine Weinrebe, mit dem symbolträchtigen Namen „Weinende Weinrebe“, denn wenn im Frühjahr der Saft in die Rebpflanze schießt, dann „weint“ sie dort, wo sie im Winter verschnitten wurde.

 

Es folgt ein aufwendig gestaltetes Museum zur Geschichte des Weinanbaus in der Region, inklusive zweier aufwendig produzierter Filme in Kinoqualität. Und obwohl Sergej etwas traurig ist, dass wir unsere Tour ohne Verkostung gebucht haben, zeigt er uns am Ende noch das Heiligtum.

 

Tief unter der Erde lagern die Fässer und Flaschen, die es im hauseigenen Weinshop nicht zu kaufen gibt. Edle Tropfen, die Leben in sich tragen und noch besser werden, umso länger man darauf wartet, sie zu öffnen.

 

Und obwohl die Kellermeister mit ihren Weinen vom Schwarzen Meer weltweit Preise auf den Weinmessen absahnen, hat in Europa wohl so gut wie niemand eine Ahnung, was die Ukraine alles zu bieten hat.

 

Wir wussten es auch nicht, haben viel gesehen, sind sehr beeindruckt und sind auch fast etwas traurig, dass wir sie demnächst verlassen werden. Um dann weiterzureisen nach Moldawien, wo es den längsten Weinkeller der Welt geben soll ...

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0