Seit drei Tagen sind wir in Moldawien. Der Grenzübertritt war wieder ein Erlebnis. Wir sind jedes Mal aufgeregt und gespannt, was uns wohl erwarten wird. Dieses Mal sollte es nahe der ukrainischen Stadt Bolhrad über einen von mehreren Grenzübergänge gehen.
Da es uns in Odessa nicht gelungen war, ein bestimmtes Buch in einer Buchhandlung zu finden, hatten wir uns dieses online bestellt und in eine Nova-Poshta-Filiale in Bolhrad liefern lassen. Das Buch gehört zum Projekt „ukrainer.net“. Eine Internetseite, deren Macher es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Ukraine, ihre Menschen, ihre Landschaften und ihre Besonderheiten für die eigene Bevölkerung und Ausländer liebevoll zu porträtieren. Die Zustellung und Abholung des Buches lief problemlos und nicht anders, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Erstaunlich wie schnell die ukrainische Post bei diesen Straßen sein kann.
Auf einer Bankfiliale in Bolhrad wechselte ich noch unsere letzten Griwna zu einem schlechten Kurs zurück in Euro. Auf einer letzten Reise hatten wir die Erfahrung gemacht, dass man außerhalb der Ukraine ganz schlecht Griwna umtauschen kann.
Dann ging es zu einem sehr kleinen Grenzübergang. Genau ein weiteres Auto stand vor uns an der Schranke. Sobald ein Fahrzeug die Grenze verließ, konnte ein weiteres nachrücken. Die junge ukrainische Grenzsoldatin hatte noch ein nettes Lächeln für uns parat.
An der folgenden Grenzkontrolle kümmerten sich dann gleich vier Beamte um uns. Ein gut aufgelegter Soldat in Tarnuniform mit Schildmütze und Waffe, ein junger Beamter in komplett schwarzem Overall und schwarzen Handschuhen, weiter kamen hinzu ein älterer Beamter in Uniform aus dunkelblauer Hose und hellblauem Hemd und außerdem eine dazugerufene junge Beamtin in ebenfalls schwarzer Uniform, deren Smartphone als Übersetzer tätig wurde.
Sämtliche Fahrzeugtüren sollten geöffnet werden, außerdem sämtliche Schränke im Inneren und sämtliche Taschen. Auch unsere Instrumente, ein Cello und ein Saxophon, wurden genauestens begutachtet inklusive Herkunftsnachweis. Natürlich wollte man auch alle Papiere sehen.
Zum ersten Mal wurde auch unsere kleine Reiseapotheke inspiziert.
Dann kamen die vier untereinander ins diskutieren. Der ältere, glatzköpfige Beamte im hellblauen Hemd begann der jungen Beamtin im schwarzen Dress halbe Romane in die Sprachfunktion ihres Übersetzers zu diktieren. Wir bekamen das dann zu lesen und antworteten in gleicher Weise. Eine Weile ging das so hin und her.
Dann stellte sich folgendes heraus: Erstens sei wohl kein Veterinär an der moldawischen Grenze. Wir waren ja immer noch in der Ukraine. Man wisse also nicht genau, ob die Moldawier uns mit den Hunden überhaupt reinlassen würden.
Zweitens hatten wir ein Schmerzmittel an Bord, dass man in der Ukraine nicht ohne Rezept besitzen und auch nicht über die Grenze bringen dürfe. Dazu muss man wissen, dass der Besitz dieses Medikaments in Deutschland absolut kein Problem darstellt. Hätten wir ein passendes Rezept dazu gehabt, wäre es vermutlich auch den Grenzern egal gewesen. Und weiterhin findet man sehr schlecht heraus, welche Medikamente man über einen ukrainischen Grenzübergang mitführen darf. Wir hatten vorsorglich eine Liste des kompletten Inhalts unserer Reiseapotheke angelegt und den Beamten übergeben.
Fakt blieb, dass man uns die Ausreise an diesem Grenzübergang verwehrte und uns netterweise nur zurückschickte, ohne weiteres Tamtam und Trara.
Man empfahl uns noch einen anderen Grenzübergang und dann kehrten wir um. Die nächste Nacht verbrachten wir an einem Feldweg im Dreiländereck Ukraine, Moldawien, Rumänien. Kurz flammte in uns die Versuchung auf, doch gleich nach Rumänien und wieder ans Schwarze Meer zu fahren. Doch wir wollten Moldawien kennenlernen.
Nahe der ukrainischen Stadt Reni wagten wir am darauffolgenden Tag einen zweiten Versuch.
Den jungen Soldaten an der Schranke begrüßte ich mit „Hello! Two Person and three dogs.“ Woraufhin dieser uns einen Laufzettel ausstellte und direkt zum Veterinär schickte. Im kleinen Containerbüro des Veterinärs war niemand anzutreffen. Als die Tür hinter mir laut ins Schloss fiel, rührte sich jedoch etwas im hinteren Bereich.
Ein verschlafener Mann in Unterhose und T-Shirt stand plötzlich vor mir. Ich begrüßte ihn mit dem Satz: „Hello! Two Person and three dogs.“ Mit der Betonung auf dem letzten Teilsatz. Der leicht verwirrte Beamte ging daraufhin wieder nach hinten und kam nun in ordentlichen Hosen mit mir zum Auto. Dort besichtigte er die Hunde und im Büro begutachtete er die blauen Heimtierausweise. Dann folgte eine Szene wie aus einem Olsenbande-Film.
Er öffnete eine Schublade, in der sich ein leerer Zettel und ein Schlüssel befanden. Schaut auf den leeren Zettel, legt ihn zurück. Mit dem Schlüssel öffnete er einen Safe in der Ecke des Raumes. Aus dem Safe nahm er einen Stempel, mit dem er unseren Laufzettel abstempelte. Für all das zeigt er mir eine Liste mit Preisen, tippte in seinen Taschenrechner dreimal den für Hund und einmal den für Autokontrolle, rundete großzügig auf und freute sich etwas zu offensichtlich über die zehn Euro an Stelle der 300 Griwna. Natürlich ohne Quittung. Und schickte uns weiter zum Zoll.
Im weiteren Verlauf teilen sich Ukrainer und Moldawier einen Grenzübergang, was den Vorteil hat, dass man nur einmal in der Schlange steht. Das bedeutet aber nicht, dass nicht trotzdem alle Vorgänge mindestens zweimal durchgeführt werden. Es blickt also erst der ukrainische Zoll auf, in und unter dein Auto. Diesmal wollte der Beamte die Fahrgestellnummer der Olga sehen. Sie ist wohl bei einem Düdo meist im rechten, vorderen Radkasten eingestanzt. Doch leider haben der Dreck und der Rost der letzten 50 Jahre nichts mehr davon übrig gelassen. Auch egal. Dann eben nicht.
Dann wurden die Pass- und Fahrzeugdaten aufgenommen. Hier stolperte die nächste Beamtin über das H am Ende unseres KfZ-Kennzeichens. Ich sprach die Erklärung wieder in ein Smartphone und erläuterte den Zusammenhang mit den vielen Jahren, die unsere Olga schon über den Planeten rollt. Woraufhin sie zwei Ausreisestempel in unsere Pässe und einen auf den Laufzettel drückte.
Nun schickte man mich zum Zollamt 4. Zollamt 2 und 3 habe ich zwar gesehen, war aber glücklicherweise dafür nicht vorgesehen. Zollamt 1 folgte später. Der Englisch sprechende, sehr höfliche Beamte vom Zollamt 4 nahm nun erneut die Daten der Pässe und Fahrzeugpapiere auf, bevor auch er die Olga in Augenschein nahm. Stempelte den Laufzettel und schickte mich weiter zum Zollamt 1.
Die ebenfalls sehr freundliche und Englisch sprechende Beamtin, die nun zur moldawischen Truppe gehörte, kontrollierte wiederum Pässe, Fahrzeugpapiere und Fahrzeug. Außerdem unsere Impfpässe mit der Covid-Impfung und die Hundepässe. Sie freut sich über die rumänischen Ausweise von Wenzel und Nella und erzählt daraufhin von ihrem Pekinesen, der Jacky heißt. Am Ende solle ich den Laufzettel bei ihr abgeben, sagte sie noch. Kurz vor Schluss schickte sie mich zur benachbarten Custum-Control.
Irgendwie auch moldawischer Zoll aber eben wieder anders. Hier nun schnappte sich ein älterer Beamter sofort meine Papiere, stiefelte zur Olga und winkte mich mit sich. Dabei fragte er:
„Do you speak Romanian?“ (Man spricht Rumänisch in Moldawien.)
„No.“
„Do you speak Ukranian?“
„No.“
„Do you speak Russian?“
„No.“
„That's very bad.“
„Yes. But your English is very good!“
Nachdem er sich davon überzeugt hat, dass Christins Rumänisch schlechter ist als sein Englisch, war Englisch dann doch die beste Lösung. Auch er warf einen weiteren, wenig motivierten Blick auf uns, die Hunde, die Olga und gab uns alle Papiere zurück. Bis auf den Laufzettel.
„You need a vigniette. You can buy it here. There is a bankomat.“
„Oh, thank you. And, äh, and now we are finish?“
„Yes. Finish! Welcome to Moldowia!“
Ich zeigte auf den Lauzettel in seiner Hand.
„No, this is not yours. It now for the police.“
Sagte er und verschwand. Wir zahlten 16 Euro am Automaten für eine 30-Tages-Vigniette, bezahlten per VISA und winkten beim Abschied. Ein staubige Straße führte uns direkt hinein, in dieses Moldawien.
Auf einem ebenso staubigen Feldweg zwischen Weinreben und Sonnenblumen verbrachten wir das Wochenende. Nachts wird es jetzt schon deutlich kühler. Tagsüber scheint die Sonne bei etwa 24 Grad. Auf der Morgenhunderunde hören wir einen Hirten singen laut singen.
In Cahul kaufen wir ein, heben moldawische Lei ab (1 Euro = 20 MLei) und besorgen uns eine Moldcell SIM-Karte (30 GB für 80 Lei = 4 Euro). Wir wussten nichts über die Ukraine, waren fast acht Wochen da und wissen jetzt schon, was wir beim nächsten Mal gern noch sehen würden. Über Moldawien wissen wir auch wenig und so lassen wir uns erneut überraschen.
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