Von Europa nach Asien

Das Jahr 2021 geht zuende. Wir stehen an einer kleinen Lagune nahe der Kleinstadt Bademli in der Türkei. Flamingos stolzieren durch das kniehohe Wasser. Die Sonne scheint heute, nachdem es mehrere Tage geregnet hatte. 

Wir sind nun seit fast sechs Monaten unterwegs. Wir haben nacheinander Polen, die Ukraine, Moldawien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland bereist. Seit fünf Tagen sind wir nun in der Türkei. Wieder ein völlig neues, anderes Land, das unsere Sinne berauscht. 

Aber der Reihe nach. Zunächst hatten wir im Norden Griechenlands noch einiges zu klären. Wir brachen an Aristoteles' Geburtsstadt Stageira auf und folgten der Küstenstraße bis zu den Quellen bei Loutra Eleftheros. Auf dem Hinweisschild an der Abbiegung steht zwar, das Gelände sei wegen Sanierungsmaßnahmen bis auf Weiteres geschlossen, doch vor Ort hat man eher den Eindruck, das ehemalige Thermalbad sei schon etwas länger dem Verfall preisgegeben. Als Besucher parkt man vor einem rostigen, verschlossenen Eingangstor und dahinter ruht ein spannender Lost Place. Ein Straßenhund, den ich die "Herrin der Quelle" taufte, empfing uns und ließ uns ein. 

 

Das Gelände wirkte auf uns aufgeräumt und durchaus so, als würden sich hier regelmäßig Menschen aufhalten. Wir liefen durch ein Ensemble aus verfallenen Gebäuden, neben denen sich ein rauschender Fluss durch das schmale Tal schlängelt. 

Erst am Ende des früher eingezäunten Geländes trafen wir dann am Rande eines Trampelpfades auf ein Wasserbecken, aus dem Dampfschwaden aufstiegen. Ein einzelner Mann badete bereits in dem Becken, das sicher für 5 bis 10 Personen Platz geboten hätte. Uns war aber an diesem Tag nicht nach einem Gruppenbad.

Erst auf dem Rückweg fiel uns auf, dass es noch mehrere solcher Badebecken geben muss. Dann kamen uns sogar Menschen in Bademantel und Schlappen entgegen. 

Ein sehr spannender Ort von einer mystischen Natur umgeben, der allerdings für uns keine Übernachtungsoption bereithielt. 

Wir fuhren noch ein Stückchen weiter und fanden einen wunderbaren Platz bei Nea Peramos. 

Dort konnten wir auf einer kleinen Landzunge auf einem Hügel übernachten. Eigentlich gedacht, um dort nur eine Nacht zu verbringen. Doch dann entdeckten wir Wege zum Meer, zu den Klippen, zu einer Höhle, zu einem Kletterspot (Red Rocks) und fanden zudem die Aussicht so genial, dass wir länger blieben. 

Die Nächte waren in dieser Zeit kalt und wir hatten jeden Abend unseren kleinen Holzofen in der Olga an. Das passende Holz sammelten wir an den Stränden. Treibholz oder liegengelassenes Bauholz oder Lagerfeuerholz, dass wir nur noch in mundgerechte Stücke sägen oder brechen mussten. Was wohl die Grenzer über die drei Tüten Holz denken werden, fragten wir uns?

 

Nach einem Wochenende bei Nea Peramos ging es für uns weiter bis Kavala. Hier hatten wir einen Termin bei einem Tierarzt. Wir wollten bei unserer Nella ein kleines Hautproblem abklären lassen. Die herzliche Evangelia Kontostoli betreibt ihre Praxis fachlich auf hohem Niveau und ist uneingeschränkt zu empfehlen. Griechisch, Englisch und Deutsch wird hier verstanden und wir fühlten uns bei diesen Kollegen sehr gut aufgehoben. Auch die Diagnostik ergab zum Glück nur gute Neuigkeiten.

 

Danach erwartete uns die Insel Thassos. Bei gutem Wetter, so unser Plan, würden wir gern noch Thassos sehen. Außerdem war noch ein Paket für uns auf dem Weg nach Alexandroupolis. 

Von Keramoti fuhren wir per Fähre bis Limenas. Eine Fahrt von etwa 40 Minuten. Wir verbrachten zwei Nächte auf der Insel. Besonders begeistert waren wir von dem kleinen Bergdorf Kastro. Die Landschaft dort in den Bergen ist traumhaft schön. 

Auf Thassos wird besonders hochwertiger Marmor abgebaut. Da konnten wir uns einen neugierigen Blick in einen der Steinbrüche nicht nehmen lassen. 

Es fiel uns auf, dass auf der Insel sehr wenige Straßenhunde zu sehen waren. Dafür allerdings allerorten Ziegen, die in kleinen Gruppen und teilweise sogar einzeln durch die Gegend zogen. Vermutlich waren wir die einzigen Camper zu dieser Jahreszeit. Auch schön.

 

Dann kam unser Paket an und unsere PAMKA, unsere vorläufige griechische Sozialversicherungsnummer, wurde ebenfalls freigeschalten. So fuhren wir von der Insel, verbrachten eine ruhige Nacht bei Nea Kessani am Vistonida See und warfen uns danach ins vorweihnachtliche Getümmel von Alexandroupolis. 

 

Wie man in Griechenland als Tourist an eine Covid-19-Impfung kommt, haben wir im letzten Blogeintrag beschrieben. Wir landeten nach einem Apothekenbesuch, um einen Impftermin zu vereinbaren und einem KEP-Besuch, um unsere Erst- und Zweitimpfung nachregistrieren zu lassen, schließlich an Heiligabend im Uniklinikum Alexandroupolis. 

Der Wertebereich war voller Leute und wir vermuteten eben noch, dass es länger dauern würde, da wurden wir bereits als Touristen enttarnt, ein freundlicher Arzt namens Niko nahm unsere Papiere in Empfang und dann ging alles ganz schnell. Keine 15 Minuten später hatten wir beide unsere Impfung erhalten und konnten wieder gehen.

 

Unsere Impfzertifikate konnten wir allerdings erst nach den Feiertagen in einem KEP abholen. Und so verbrachten wir Weihnachten an einem ruhigen Strand bei Dikella, westlich von Alexandroupolis. 

 

Die Abholung des Paketes und der Impfzertifikate verlief problemlos. Das Paket wurde an einen DHL-Shop in Alexandroupolis geliefert, der uns sogar per Mail über das Eintreffen informierte. In Alexandroupolis nutzten wir auch direkt noch die Vorteile einer Universitätsstadt. Es gibt dort nämlich einen Waschsalon.

 

Am 27. Dezember fuhren wir dann östlich von Alexandroupolis bei Kipoi über die Grenze in die Türkei. 

Die Ausreise aus Griechenland war einfach und schnell. Dann folgt eine Brücke über den Fluss Mariza. Auf dieser Brücke standen griechische und türkische Soldaten mit Gewehren in kleinen Häuschen und wunken uns freundlich zu. 

Der türkische Grenzposten ist pompös und mächtig gewaltig, um es mit Benny aus der Olsenbande zu sagen. Die Grenzbeamten sehr korrekt und freundlich. Unsere Olga wurde hier zum ersten Mal gescannt.

Dazu mussten wir sie in einer riesigen Halle parken, aussteigen und dann fuhr dieser überdimensionale Scanner einmal von hinten nach vorne über das Auto. Leider konnten wir keinen Blick auf das "Röntgenbild" erhaschen. 

 

Auch andere deutsche Wohnmobile standen zeitgleich mit uns in der Schlange. Es schien nicht viel los zu sein an diesem Tag. 

Von der Grenze fuhren wir geradewegs bis Kesan. Dort wollten wir "nur" Geld wechseln und eine SIM-Karte besorgen. Der Trubel im Zentrum der Stadt überraschte uns dann doch sehr. So brauchte es einige Zeit, bis ich alles besorgt hatte. 

Eine Wechselstube fand ich nicht, also fragte ich den Verkäufer im Mobilfunkladen danach. Was dazu führte, dass er mich die 300 Meter bis dahin begleitete. 

Bei der Registrierung der SIM-Karte, gab der Verkäufer kurzerhand und ohne mich zu fragen als "Name des Vaters" und "Name der Mutter" die beiden Namen "Hans" und "Julia" ein. Später stellten wir fest, dass unsere Karte auf einen gewissen "Erkan" registriert ist. 

Ich wäre gern noch länger durch die vielen bunten Läden spaziert, doch es dämmerte schon und wir hatten noch keinen Nachtplatz. Den fanden wir 30km entfernt bei Kocacesme an einem kleinen Hafen.

 

Die Türkei empfing uns mit freundlichen Menschen, buntem Treiben, vielen Eindrücken, extrem guten Straßen aber auch mit Regen und der schwierigen Stellplatzsuche. 

Es gibt allerhand gute Schlafplätze. Allerdings sind an nahezu allen Plätzen Straßenhunde. Das würde uns auch noch nicht so sehr stören. Doch die großen Kangals, die hier üblicherweise herumlaufen halten wenig von unseren Hunden und lassen sich auch nicht einfach vertreiben.

 

Von Kilitbahir nahmen wir die Fähre über die Dardanellen und landeten auf der asiatischen Seite in Canakkale. Wieder eine bunte, lebhafte Stadt. 

Und so lassen wir uns gen Süden treiben. Wir besuchten das sagenumwobene Troja und verbringen nun den Jahreswechsel gegenüber der griechischen Insel Lesbos. 

 

Ich blicke auf das Meer, sehe Lesbos am Horizont und kann mir doch nicht vorstellen, wie es sein mag, an dieser Stelle in ein Schlauchboot zu steigen und nach dort drüben zu fahren. In eine vermeintlich bessere aber ungewisse Zukunft. Mit der Angst im Bauch, nicht lebend auf der anderen Seite anzukommen. 

Und hinter mir Hotels, Strandbars und das ganz normale Leben der Leute hier, die mit ihren eigenen Problemen zu leben haben. Dann der Türke, der mich an der Tankstelle im besten Deutsch anspricht und sich als "Münchner auf Heimaturlaub" vorstellt. Dann der Restaurantbesitzer, der mit mir auf Deutsch Smalltalk redet, mir Tee anbietet, während ich auf mein Essen warte. Dann diejenigen in Deutschland, die uns fragten, ob es sein muss, gerade jetzt in die Türkei zu fahren. Dann all die anderen Reisenden, die ihren Traum leben. Und dann ich, der Reisende, der das Glück hat, mit seinem Pass alle Grenzen spielend überwinden zu können. 

So viele Lebenslinien, die nebeneinander verlaufen und sich hier und da berühren. Und wie gut es ist, dass es diese Berührungspunkte gibt. Vielleicht ist das Reisen, dass man sich auf die Suche begibt nach den Punkten, an denen sich unsere Lebenswege kreuzen. Um zu verstehen, wenigstens ein bisschen.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0