Von Adana ans Schwarze Meer

 

Seit fünf Tagen sind wir in Georgien und halten uns momentan in der Region Batumi auf. Doch bevor wir später davon berichten, gilt es, unsere vergangenen Wochen in der Türkei aufzuschreiben. Ganze zwei Wochen standen wir letztendlich am Stausee bei Adana, so lange wie an keinem Platz vorher seit sieben Monaten. Und was hatten wir für ein Glück mit diesem genialen Plätzchen. Ruhe, Natur, Spaziermöglichkeiten, Wasser und nur wenige, nette Hunde. Dabei hatten wir spaßeshalber auf dem kurzen Stück zwischen Adana und dem Stausee die Straßenhunde gezählt und irgendwann bei weit über 40 Stück wieder damit aufgehört.

 

Während wir also in der Sonne saßen und lernten mit der unfreiwilligen Warterei umzugehen, hackten wir wie ein Specht alle paar Minuten auf unser Smartphone ein, um die Sendungsverfolgung unseres Paketes zu aktualisieren.

 

Als Lieferadresse hatten wir einen DHL-Shop in Adana/Seyhan angegeben. Und in Deutschland das Paket mit dem Medikament für Nella auch per DHL versenden lassen. Der freundliche türkische DHL-Mitarbeiter erklärte uns dann aber, dass nur Pakete, die DHL-Express geliefert werden, bei ihm ankommen. Alle anderen werden von der türkischen Post (PTT) zugestellt.

 

In einer nahen Postfiliale war sich der Mitarbeiter dann ganz sicher, wenn das Paket ankommt, dann bei ihm. Auch der Sicherheitsmann in der Postfiliale war sich sicher und stempelte weiter Briefe. Sie zeigten uns, wie wir das Paket auf der Seite der türkischen Post verfolgen konnten. Als wir zum zweiten Mal auf der Post antanzten, weil der Sendungsstatus tagelang unverändert war , tauschten wir Kontaktdaten mit dem Postangestellten Rafet und seinem Freund Metin bei der Paketzustellung aus.Überwiegend hatte es die letzten Tage beim türkischen Zoll in Istanbul verbracht, der das inneliegende Rezept für das Medikament nicht finden konnte, obwohl das Paket offensichtlich geöffnet wurde. Dank unserer „Informanten“ konnten wir das Dokument noch einmal per Mail einreichen. Nun wechselten wir immer zwischen der Sendungsverfolgung und dem WhatsApp-Chat mit „unseren“ Postinformanten. Metin und Rafet haben das geduldig ertragen.

 

Als wir das Paket dann eines Tages zur Mittagszeit nach 26 Tagen Versandzeit abholen konnten (DHL Deutschland gab 10 bis 14 Tage an), verschloss der Sicherheitsmann hinter uns die Tür. Wir dachten kurz Schlimmes, aber es war nur Mittagszeit. Obwohl die Filiale offiziell durchgehend geöffnet hat, möchte man Mittags ungestört sein. Unser Paket war auch noch gar nicht da, kam aber zwanzig Minuten nach uns mit einem Zusteller an. Die Zollgebühr (ca. 15% des Wahrenwertes) zu bezahlen war nur bar möglich, allerdings hatten die Geldautomaten in Postnähe durch die hohe Inflation kein Bargeld mehr. Aber dieses letzte kleine Problem ließ sich auch noch lösen.

 

 

 

Wir hatten die Wartezeit nicht nur mit Langeweile verbracht, sondern den Basar in Adana besucht, die Anavarza-Ruinen besichtigt und auch einiges von Adanas Umgebung gesehen. Zum Einkaufen waren wir auch mehrmals in Adana gewesen. Zum Beispiel suchten wir ein spezielles Allergiker-Hundefutter für Nella. So klapperten wir die PetShops und Tierärzte ab. In einem hatte ich gerade nach dem Futter gefragt, als ein Lieferant mehrere Futtersäcke eben dieser Sorte durch die Tür brachte. Davon kaufte ich gleich zwei.

 

In Imamoglou und in Adana kauften wir in Pattiserien leckere Kekse und Pralinen. Lustigerweise steht an diesen Läden außen „Pasta“, was uns eher an herzhafte Speisen denken lässt.

 

Doch nach Erhalt des Paketes zog es uns sofort weiter. Wir statteten dem Mittelmeer einen vorerst letzten Besuch ab und waren sehr bestürzt über die vielen, vielen Zeltlager in der Region. Zumeist handelt es sich dabei wohl um syrische Flüchtlinge.

 

Auch unseren „geliebten“ städtischen Wohnmobilstellplatz in Tarsus besuchten wir erneut, weil er den idealen Ausgangspunkt für eine Fahrt in die Berge bildet. Diesmal parkten Franzosen, Briten, Türken und Deutsche neben uns. Auf unserer Morgenrunde wurde Philipp von einer Biene neben das rechte Auge gestochen. Da ging der Tag gut los, wurde aber besser.

 

Von Tarsus ging es diesmal ins Ihlara-Tal. Ein Canyon, der im Sommer als grüne Oase zwischen den rotbraunen Felsen aufscheint. Im Februar ist dort sehr wenig los. Ein Imbissbetreiber erzählte, momentan leben vielleicht 1000 Menschen in der Region. In den Sommermonaten können es schon mal 20.000 sein, die hier mit den Touristen ihr Geld verdienen oder selber in ihren Häusern Urlaub machen.

 

In dem kleinen Imbiss, in dem ich leckere Pide kaufte, sah ich auch erste Bilder aus der Ukraine. Die Männer im Imbiss diskutierten das aktuelle Geschehen. Auf meine Frage, ob dieser Krieg ihnen Probleme bereiten könnte, meinte der Betreiber, wegen Corona waren weniger Touristen da, hauptsächlich weniger Asiaten. Und wegen des Krieges werden wohl im nächsten Sommer weniger Russen und Ukrainer kommen. Aber wie weit wird Putin noch gehen?

 

Diese Frage schwirrt auch uns durch den Kopf. Wir übernachteten an einem ehemaligen Bergkloster mit kleiner Kapelle. Der Wächter war der einzige Mensch an diesem einsamen Platz. Cello spielen in der kleinen Kirche durfte Christin leider nicht. Der Wachmann meinte, in einer orthodoxen Kirche sei nur singen erlaubt. Er wisse auch nicht warum, meinte er entschuldigend, er sei Moslem.

 

In diesen Tagen fiel das unbeschwerte Reisen nicht leicht, denn wir dachten zurück an die acht Wochen, die wir im vergangenen Sommer in der Ukraine verbracht hatten. Wir dachten an die vielen tollen Menschen, die uns begegnet waren und versuchten zu einigen Kontakt aufzunehmen. Wir dachten an Cherson, Odessa, Lemberg, all die Orte, an denen wir noch vor wenigen Monaten gewesen waren und wo nun Menschen in Kellern und U-Bahnhöfen Zuflucht suchen. Es wäre uns nie in den Sinn gekommen, dass dieses Land, welches uns so herzlich empfangen hatte und dem wir allerorts eine gewisse positive Aufbruchstimmung angemerkt hatten, dass dieses Land nun so schnell so viel sinnloses Leid über sich ergehen lassen muss.

 

Unser Guide durch die Optimist-Höhle befindet sich glücklicherweise zur Zeit aufgrund eines Auslandssemesters in Polen. Doch wir denken auch an Sergej, unseren Guide auf dem Weingut Shabo und all die anderen Männer, die dieses Land nicht mehr verlassen dürfen. Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin, sagt sich so leicht. Stell dir vor es ist Krieg, und dir wird die Entscheidung abgenommen...

 

Diese Gedanken beschäftigten uns noch weiter und noch immer.

 

Wir hatten geplant eine der vielen Untergrundstädte in Kappadokien zu besichtigen und waren in Derinkuyu in eine sogar schon hinabgestiegen, doch eine Busladung Touristen verstopfte die schmalen Gänge und ließ uns schnell wieder das Tageslicht suchen.

 

Bis zum Schwarzen Meer gab es für uns dann noch zwei Zwischenstopps und etliche Stunden Fahrt bei bewölktem und regnerischen Wetter durch richtig schöne Landschaften. Einen Stopp hatten wir bei Hattusan an einem Felsentempel und einen zweiten an einem ruhigen Bergstausee zwischen Kamil und Osmancyk.

 

Wir werden wohl auf unserem Rückweg noch einmal in die Berge fahren. Unter anderem auch wegen der total zugebauten und nicht wirklich attraktiven Schwarzmeerküste. Von Samsun bis zur georgischen Grenze bei Sarpi brauchten wir drei Übernachtungen. Die erste bei Terme neben einer Einheit der Jandarma. Direkt am Strand, ohne Störung, aber auch direkt hinter der vielbefahrenen Straße. Überhaupt zieht sich die Küstenstraße quasi durchweg immer direkt am Meer entlang. Das bedeutet, man hat auf der einen Seite sehr schmale oder gar keine Strände und direkt auf der anderen Seite ein Haus am anderen und kaum Möglichkeiten für ruhige Übernachtungsplätze. Einen fanden wir noch kurz vor Trabzone, wo die Straße etwas höher liegt als der Strand und wir auf einem Strandparkplatz standen. Nebenan hatten ein paar Männer ein Lagerfeuer an einem Bretterverschlag angezündet, verschwanden dann mitten in der Nacht mit lautem Motorengebrüll und kurz danach streifte die Polizeit mit Taschenlampen durch deren Lager. Von uns wollte zum Glück keiner etwas.

 

Da unsere georgische Autoversicherung erst ab 2. März gültig ist, schliefen wir in den Bergen etwa 20 Kilometer vor der Grenze. Dort oben lag noch eine Menge Schnee und nachts wurde es richtig kalt. Dazu fiel unaufhörlich Regen. Ein Teebauer lud uns zum Cay ein, doch wir waren von der Fahrerei zu müde. Und so hatten wir zwischen Teeplantagen eine ruhige Nacht. Auch die obligatorische die Polizeipatroullie streifte nur mit ihrem Taschenlampenlicht über die Olga und fuhr weiter.

 

Nach über zwei Monaten verlassen wir nun die Türkei und kehren auf dem Rückweg wieder. Von den Bergen haben wir noch viel zu wenig gesehen und wollen das auf jeden Fall nachholen. Denn dort oben war es meist am schönsten. Auch an der Küste hatten wir einige schöne aber auch einige „Geht-so-Plätze“. Überrascht haben uns die vielen Straßenhunde in sehr schlechtem Zustand und die Grundlautstärke des Landes. Die Türken scheinen auch im Winter Nachtmenschen zu sein. Unzählige Male haben wir über die Autos unsere Köpfe geschüttelt, die am Strand mit laufendem Motor und leuchtenden Scheinwerfern stundenlang herumstehen, während die Insassen Musik hören oder auf ihre Smartphones starren. Wir sind aber auch immer wieder zum Tee eingeladen und freundlich begrüßt worden. In keinem anderen Land haben wir bisher so viele Möglichkeiten zum Essen und Trinken am Straßenrand gesehen. Ob Cay, Pide oder Kebab. Ob frische Bananen, Birnen oder Orangen. Ob Süßes oder Herzhaftes. Alles wirklich lecker.

 

 

 

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