Georgien / Armenien

Für eine Woche hatten wir bei Osurgeti ein kleines Holzhaus gemietet. Und während draußen die Schneeflocken vom Himmel fielen, konnten wir drinnen die warme Gasheizung und eine warme Dusche genießen. Mal wieder auf einem richtigen Herd kochen und die nassen Klamotten trocknen können, war auch eine gute Sache.

Da für die Berge immer noch nasskaltes Wetter angesagt war, trieben wir uns danach noch eine Woche an der georgischen Küste herum. Bei Anaklia fanden wir einen ruhigen Platz. Eigentlich eine Strandpromenade mit gepflasterten Wegen, beleuchteten Palmen, Cafes und einem Aqua-Park. Doch in dieser Zeit nahezu menschenleer. In nördlicher Richtung liegt die Promenade direkt an der Grenze zu Abchasien. Betreten streng verboten!

Mit dem Wetter hatten wir Glück. Es war kalt, windig und es regnete auch mal aber es war weitaus weniger Regen als befürchtet und deutlich mehr Sonne als erhofft.

Wenn wir den Strand entlangliefen, dann befiel uns der Eindruck, dass mit diesem Ort irgendwas nicht ganz richtig ist. Und die Recherche brachte es zu Tage. Vor Jahren sollte aus dem Dorf Anaklia mal eine richtig große Stadt werden. Ein neuer Tiefseehafen für gigantische Containerschiffe sollte entstehen. Hotelanlagen sollten gebaut werden, all das sollte aus diesem kleinen Ort eine große Hafenstadt machen. Dann allerdings wechselten die politisch Verantwortlichen und die begonnenen Investitionen wurden begraben. Was zurückblieb wirkt irgendwie fehl am Platz. Zu groß, zu viel und halb untergegangen bevor es überhaupt aufgetaucht war.

Es ist überhaupt sehr spannend aber auch befremdlich, was Menschen mit Geld und Einfluss in Georgien umsetzen können. Der dendrologische Park in Shekvetili ist auch eines dieser Projekte. Allerdings wurde dieser Park fertiggestellt und ist für jeden kostenfrei besuchbar.

Der Eigentümer, ein millionenschwerer georgischer Unternehmer und Politiker, hat sich dort einen privaten Traum erfüllt. Einen botanischen Garten mit Bäumen aus aller Welt, die er per Schiff aus Australien oder Brasilien hat anliefern lassen. So wurden Flüsse begradigt und ein riesiges Schiffsterminal am Hafen gebaut, nur, um die bereits hoch gewachsenen Bäume umsetzen zu können. Die Baumriesen sind natürlich beeindruckend, wenn auch die Entstehung des Parks eine ökologische Katastrophe darstellt. Im Gegensatz zum botanischen Garten von Batumi sind in Shekvetili übrigens Hunde nur mit Leine und Maulkorb erlaubt.

Als es uns am Strand Anaklias zu langweilig wurde, fuhren wir in die nächstgrößere Stadt Sugdidi. Leider hat uns diese Stadt nicht beeindrucken können. Nach den ruhigen Tagen im Haus und an der verlassenen Strandpromenade war es uns dort viel zu laut, zu hektisch und zu turbulent. Und nebenbei gesagt, ist Sugdidi auch keine Schönheit.

Wir besichtigten noch eine Burgruine bei Rukhi und dann fanden wir einen wirklich tollen Platz an einem Fluss im Nirgendwo.

Zwei Nächte später begannen wir dann ganz langsam unsere Tour in die Berge. Nach einem Einkauf in Senaki, erreichten wir bei Betlemi erneut eine heiße Schwefelquelle. Umschlossen von bewaldeten Hängen, liegt diese Quelle direkt an einem Wildwasserbach. Das heiße Wasser sprudelt aus dem Erdboden, läuft über eine Wiese und fällt dann als Wasserfall zum Flussbett hinab. Am Wasserfall hat sich über die Jahre eine dicke, weiße Schicht aus schwefelhaltigen Ablagerungen gebildet, die das Ganze wie einen Miniaturgletscher aussehen lassen.

Unter dem Wasserfall ist das Wasser noch deutlich zu heiß aber in den kleinen Wannen im Kies des Flussbettes, kann man wunderbar baden. An diesem Nachmittag und am nächsten Morgen nutzten wir diese Chance ausführlich. Zum Übernachten fuhren wir ein paar Meter weiter auf einen befestigten Parkplatz, der explizit als Wohnmobilstellplatz ausgeschrieben ist. Wir hätten sicher auch direkt an der Quelle übernachten können, doch die Polizei hatte uns davon abgeraten. Außerdem fand an diesem Abend noch eine feuchtfröhliche Männerparty an der Quelle statt.

Von dieser Quelle bei Betlemi fuhren wir dann zur nächsten Quelle, die wir schon kannten bei Amaghleba. Auch dort konnten wir nochmal richtig schön im Sternenlicht baden gehen und das warme Wasser genießen.

 

Was wir an den folgenden Tagen erlebten, hatten wir in dieser Form nicht erwartet. Zwar hatten wir bereits mehr Zeit als geplant an der Küste verbracht, um den niedrigen Temperaturen und dem Schneewetter in den Bergen zu entgehen, doch so ganz ohne Abenteuer sollte es nicht kommen.

Die Strecke zwischen Kutaissi und Tiflis wird im Moment komplett umgebaut. Es entsteht eine Autobahn mit etlichen Tunneln. Leider noch nicht befahrbar. Also quälen sich alle PKW und LKW über eine kurvige Buckelpiste, der dieser Verkehr schon arg zugesetzt hat. Dazu das Schmelzwasser aus den Bergen, viele Schlaglöcher, viel Schlamm und fertig ist die Partie. Unsere Olga hat diese Tortur dennoch spitze gemeistert.

Bei Chaschuri verließen wir die E60 und fuhren weiter über Bordschomi bis etwa 30 Kilometer vor Achalziche. Dort übernachteten wir in einem kleinen Tal in der Nähe eines Klosters. Tagsüber schien zwar die Sonne und es war ausreichend warm im Auto. Doch nachts kühlte es auf einige Minusgrade ab.

Nun stand der Tag des Grenzübergangs an. Wir hatten uns vorgenommen bei Bavra die Grenze zu Armenien zu überqueren. Umso höher sich die Straße schlängelte, umso kälter wurde es und die Schneeschicht am Straßenrand wurde höher. Die Straße selber war frei.

Der Grenzübergang befindet sich auf etwa 2200 Metern Höhe. Was uns wunderte, war eine lange Schlange LKW, die sich gar nicht zu bewegen schien. Die Grenzformalitäten waren dann nach anderthalb Stunden erledigt und wir waren in Armenien. Am witzigsten war das Ausfüllen des Formulars für die armenische KfZ-Steuer. Das Formular gibt es natürlich nur auf armenisch und in armenischen Buchstaben. Und auch die Ausfüllhilfe gab es nur in armenischen Buchstaben. Zum Glück konnte uns der Grenzbeamte auf Englisch weiterhelfen. Und auch eine armenische KfZ-Versicherung mussten wir direkt an der Grenze abschließen. Der nette Versicherungsmann sprach allerdings auch nur armenisch oder russisch. So half uns einer der LKW-Fahrer aus.

Als wir dann vom Grenzübergang nach Bavra fuhren, wurde uns klar, warum die Schlange der LKW so lang geworden war. Nachts hatte es einen Schneesturm gegeben und die Straße war noch nicht wieder geräumt. Zwar gab es für PKW eine abenteuerliche "Umfahrung" aber die LKW mussten warten. Und das bei Minusgraden, Wind und Schnee.

Als ich in einem kleinen Mobilfunkladen eine armenische SIM-Karte erwarb, war ich dort der erste Tourist seit drei Jahren. Aufgrund von Corona hatte der sehr nette Verkäufer, der sehr gutes Englisch sprach, so lange keinen Touristen mehr gesehen. Auf dem Weg in Richtung Gjumri, der zweitgrößten Stadt Armeniens, passierten wir noch einige Schneeverwehungen. Doch der Winterdienst arbeitete kräftig daran, die Straße auch für LKW wieder komplett frei zu bekommen.

In Gjumri verbrachten wir unsere erste Nacht in Armenien an der Statue der "Mutter Armeniens". Und obwohl wir gedahct hatten, wir hätten den schlimmsten Teil der Strecke hinter uns, gerieten wir am nächsten Vormittag noch einmal in eine Art Without, wo wir vor lauter Schnee und Nebel nicht mehr wirklich unterscheiden konnten, wo der Himmel aufhört und die Straße beginnt.

Kurz vor Armawir verbrachten wir zwei Nächte irgendwo im Nirgendwo zwischen Feldern, Plantagen, Weiden und einer Müllkippe. Belohnt wurden wir mit einem herrlichen Blick auf den heiligen Berg der Armenier, den Ararat.

Umso weiter wir nach Süden in Richtung Erewan kommen, umso wärmer und sonniger wird es. Bei Sardarapat besichtigten wir das Denkmal, das an den Sieg der Armenier über die Türken im Jahr 1918 erinnert. Es ist immer gruselig, ein solches Mahnmal zu sehen, vor allem, wenn gleichzeitig weiterhin sinnlos Kriege geführt werden auf dieser Welt. Und  jedem sinnlosen Krieg folgt ein weiteres Mahnmal.

Mittlerweile befinden wir uns am Azat-Stausee auf 1050 Metern Höhe in der Nähe von Erewan. Der See dient seit 1976 zur Bewässerung und Energiegewinnung. Wir stehen nahe eines kleinen Friedhofes, an dem es auch Trinkwasser gibt. Wir blicken über die Berge und den See ins Tal. Und wie überall in dieser Gegend, thront natürlich der Ararat über allem. Auch, wenn man ihn hinter den Wolken nicht oft zu Gesicht bekommt.

 

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